Versuche im und doing art&science

#12/1 athmos/ spheren

DI: Also so Mikroklimata zu schaffen, oder die Wichtigkeit davon, also für mich war das fast so, als ob du symbolisch gesprochen hättest.
AS: Das Mikroklima heißt auch weg von den Metropolen, Gedankenmetroplen, Wissenmetropolen, Kunstmetropolen
DI: Mhm,
AS: in kleinere aber miteinander vernetzte Einheiten.

Nach Jean-Francois Lyotard tritt in der Postmoderne anstelle von großen Erzählungen eine Vielfalt an Diskursen mit ihren eigenen Rationalitäten und Sprachspielen. Es seien die kleinen Inseln, auf denen Individuen nun kleine Erzählungen und neue Spielzüge hervorbrächten. Das postmoderne Wissen ist nicht allein das Instrument der Mächte. Es verfeinert unsere Sensibilität für die Unterschiede und verstärkt unsere Fähigkeit, das Inkommensurable zu ertragen. Es selbst findet seinen Grund nicht in der Übereinstimmung der Experten, sondern in der Paralogie der Erfinder. (Jean Francois Lyotard, Das postmoderne Wissen, Wien 1994, 16)

Alien City

Work in Progress. Serie von Installationen und Performances
alien productions, seit 1999

„Alien City“ ist eine virtuelle Stadt im Cyberspace. Webcamgrabs, historische Ansichten, utopische Zukunftsvisionen, Klänge aus offenen Mikrofonen und City-Soundscapes verschiedenster Städte dieser Welt sind ihre Ausgangsmaterialien. Diese werden in automatisierten Bearbeitungsroutinen permanent gemorpht, sodass sie eine Stadt ergeben, die ihr Aussehen ständig verändert. Sie könnte alle Städte dieser Welt sein oder keine; sie könnte seit Hunderten von Jahren existieren oder eben erst entstehen. Sie ist eine Stadt der konstanten Veränderung, eine Hybride, eine Stadt in Zwischenräumen, Durchgangsfeldern und Simultanzeiten.

„Alien City“ ist keine fiktive Stadt. Sie existiert tatsächlich, schwebt im Diskontinuum von Zeit und Raum des www. Die einfache Präsenz jeder neuen BesucherIn bewirkt Veränderungen ihres Aussehens, jede Bewegung führt zu einem Wandel, einer Verschiebung ihres Gesamtgefüges. Bilder erodieren palimpsestisch und überblenden einander, neue Klänge tauchen auf und verschmelzen mit dem urbanen Sound. Ein Stadtplan adaptiert sich beiläufig an die sich ausweitenden Stadtgrenzen. Sogar die historische Dokumentation der Stadt verändert sich mit den Bewegungen der UserInnen.

Seit ihrem Entstehen als Subpjojekt von „Sound Drifting“ beim ARS Electronica Festival 1999 manifestiert sich „Alien City“ immer wieder für bestimmte Zeitspannen an bestimmten Orten physisch – in Installationen, Performances oder On air und Online Interventionen. Im selben Maß, wie „Alien City“ die spezifischen lokalen Ambiente beeinflusst, verändern diese „realen“ Atmosphären den Charakter der „virtuellen“ Stadt, verursachen in ihr einen Realitätssprung auf eine neue Ebene. „Alien City“ saugt Teile der an diesen Orten vorgefundenen Realitäten ein – Stadtansichten und -klänge, Abbilder des Veranstaltungsraums und der Menschen, die sich dort bewegen – und integriert sie im Morphprozess in ihre historische Struktur. Eine neue Stadt entsteht, die doch sie selbst bleibt.

Was und wen „Alien City“ mit sich nimmt, wenn sie nomadisch weiterzieht, wissen wir nicht. Man kann als BesucherIn im www ihren Weg und ihr Wachstum weiterverfolgen – um wiederum Veränderungen auszulösen. „Alien City“ wird sich erneut an anderen Orten manifestieren, sich verändern und bleiben, was sie im Grunde ist: on the move.
Martin Breindl


http://alien.mur.at/aliencity/info_d.html